Bericht über meinen Aufenthalt an der SECPAD School in Karsha (Zanskar), 10. – 29. September 2016
von Herbert Brüdt
Schon bei meinem letztjährigen Aufenthalt an der SECPAD School hatte ich dem Principal Mr. Sharma zugesagt, auch 2016 wieder nach Zanskar zu kommen, um die begonnene Arbeit mit den Lehrern der Schule fortzusetzen.
War es 2015 mehr ein Kennenlernen mit Fragen, die je nach Lehrer allgemein bis sehr persönlich waren, allerdings verpflichtend „garniert“ mit Oberthemen, die zB die menschlichen Sinne in einen Zusammenhang stellten. Dieses Jahr hatte ich als Generalthema die Einführung des Diskontinuums vorgesehen, mit Anschauungsmaterial zur Erklärung für die Schüler.
Doch nun im Einzelnen:
Am 08.09. bin ich nach Delhi geflogen und hatte bereits im Vorfeld einen Anschlussflug nach Srinagar (Kashmere) gebucht, um von dort über Kargil nach Zanskar zu gelangen.
Mehr durch Zufall erfuhr ich von Unruhen in Kashmere, die sich rasch ausweiteten und erfahrungsgemäß in Srinagar massiv ausgetragen wurden. Ein Generalstreik überzog das Land und die indische Armee feuerte im wahrsten Sinne des Wortes ihren Teil zur Eskalation bei.
Auch in Delhi Airport konnte man mir keine konkrete Auskunft geben, ob ich von Srinagar nach Kargil weiterkomme, bzw. trotz Ausgangssperre mich dort aufhalten kann. Deshalb habe ich kurzerhand den Flug nach Leh (Ladakh) umgebucht, um von dieser Seite nach Kargil zu gelangen.
Gegen 08:00 Uhr landete ich nach einem wunderschönen Flug in Leh und versuchte heraus zufinden, ob es in Kargil, dass (schiitisch) moslemisch ist, auch Unruhen gibt. Wieder gab es keine konkrete Antwort, so dass ich sofort mit einem shared Taxi nach Kargil weiterfuhr, da unklar war, ob ich dort, der Perle des westlichen Himalayas, stecken bleibe.
Es stellte sich heraus, dass es dort in der Tat Unruhen gegeben hat, aber zurzeit war es ruhig.
Also, den nächsten Tag sofort weiter nach Zanskar, bevor sich die Situation in Kargil, dem Nadelöhr, wieder ändert. So kam ich am 10.09. abends, nach schier endloser Ruckelei, an der SECPAD School an.
Mr. Sharma war total überrascht, da man mich noch nicht erwartet hatte. Ich wurde auf das herzlichste begrüßt, für mich war es ein wenig wie „nach Hause kommen“. Schnell wurde das Gästezimmer hergerichtet und ich schlief 1,5 Tage durch. Dies führte allerdings zu mittel-schweren Irritationen, da man nicht genau einschätzen konnte, ob ich vielleicht mittlerweile als Rinpoche ins Nirvana eingezogen bin.
Der Principal war jedenfalls heilfroh, als ich unversehrt aus meiner „Höhle“ herauskam und hatte nach einer kurzen Verständigung einen Unterrichtsplan für die Lehrer gemacht, „same procedure as last year“.
Da im Sommer das Ehepaar Pieper vor Ort war und den Students offensichtlich unter anderem praktische Elektrizitätslehre nahegebracht hatte, wurde ich gebeten, Students, die sich freiwillig gemeldet hatten, nachmittags eine physikalische Vertiefung des Themas zu ermöglichen. Wir trafen uns nachmittags in ihrer Freizeit!
Zu Beginn gestaltete sich der Unterricht schwierig, da in Asien üblicherweise der Lehrstoff vorgelesen wird, dann von allen wiederholt und abschließend diktiert wird.
Ein derartig schwieriger, da abstrakter Lehrinhalt sollte aber im „Unterrichtsgespräch“ entwickelt werden, um ihn nachhaltig zu verstehen. So schwieg man beharrlich aus unterschiedlichen Gründen, auf meine sehr einfachen Fragen. Nun, so schwiegen anfangs die Students fast eine Stunde, bis die erste zaghafte Antwort kam. (Ich hatte ihnen gesagt, dass keiner den Raum verlässt, bevor nicht irgendeine Antwort erfolgt.) Dann war das Eis gebrochen und der weitere Unterricht konnte „nachhaltiger“ ablaufen.
Der nach Plan ablaufende Unterricht der Lehrer verlief sehr unterschiedlich. Von einfachsten Leseübungen in Englisch bis zum Bau und der Funktion von Nervenzellen / Gehirn wurde das ganze Spektrum abgedeckt. Nur mit meinem Generalthema „Diskontinuum“ konnte ich keinen Blumentopf gewinnen. Die Students bekamen diesen Inhalt allerdings kostenlos dazu.
Ich hatte mir vorgenommen, die Verantwortlichen Zanskari für die Folgen des zukünftig verstärkten Tourismus zu sensibilisieren und ihnen gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen, zum Beispiel ein Verbot für Plastiktüten, vorzuschlagen. Dabei legte ich die Vorgehensweise so an, dass der Principal der SECPAD School als federführender Ideengeber auftrat.
Es wäre doch schön, wenn die SECPAD School als Urheber der Idee gilt.
Taktischer Weise sollten zuerst Verbündete gefunden werden. Deshalb sind wir, eine „Gesandtschaft“ der SECPAD School, zu meinem alten Freund Sonam Tundup, dem Principal der Marpa Ling School in Stongde, gefahren. Die Wiedersehensfreude war groß und wir wurden sehr gastlich empfangen. Sonam erklärte sofort die volle Unterstützung seiner Schule für die „Keep Zanskar Green“ Initiative.
– Wir hatten schon vor Jahren zusammen ähnliches angedacht.-
Gleichzeitig wurde das professionell gebaute Gewächshaus der Schule angesehen und vermessen, in der stillen Hoffnung, so etwas auch an der SECPAD School zu bauen.
Nun wollte ich den Head Lama der Karsha Gompa und aller Klöster Zanskars als äußerst wichtigen Mitstreiter für die Initiative gewinnen. Ich hatte ihn kurz beim Besuch des indischen Vize Ministers an der SECPAD School getroffen und ein Treffen angekündigt. Leider war in den folgenden Wochen die gesamte Telekommunikation in Zanskar stillgelegt, so dass ein Treffen mit dem umtriebigen Head Lama nicht terminiert werden konnte.
Um wenigstens noch etwas zu bewegen, wurde kurzerhand und ohne Absprache der für Zanskar zuständige Tourismus Manager, Mr. Namgyal, aufgesucht. Nachdem wir ihm in bewegten Worten die Situation im touristenverseuchten Leh mit den mit Plastikmüll zugeschütteten Tälern geschildert hatten, packte ihn offensichtlich das schiere Entsetzen und er sagte sofort seine volle Unterstützung zu.
Es wurde verabredet, dass der Principal, Mr. Sharma, ein Memorandum zum „Plastic Bag Ban“ verfasst und bei den Unterstützern und zuständigen Stellen einreicht, in der Hoffnung, dass etwas bewegt wird. Schau`n wir mal.
Mein Vorschlag des letzten Jahres, auf der Schule eine Photovoltaik Anlage zu errichten, um für die Schüler Computer zur Ausbildung zu installieren, wurde vom Stiftungsvorstand bereitwillig aufgenommen. Allerdings schaffte es die Aufforderung an den SECPAD Vorstand in Zanskar, zur Kostenermittlung eine Planung der gewünschten Ausstattung zu übermitteln, offensichtlich nicht, über die Berge nach Zanskar zu gelangen.
Deshalb turnten der Principal und ich auf dem Schulgebäude herum, besprachen die Ausstattung, vermaßen die erforderlichen Räume und stellten die gewünschten (Minimal) Anforderungen zusammen, so dass nun die notwendigen Kosten ermittelt werden können.
Es wäre sehr sehr schön, wenn die Stiftung im nächsten Jahr die notwendigen Gelder dafür beschaffen könnte und die Anlage installiert werden könnte.
Äußerst positiv war dagegen die prompte Reaktion der SECPAD Verantwortlichen auf meinen Vorschlag aus dem letzten Jahr, die Wasserversorgung für das Lehrerwohngebäude wiederherzustellen. Eine neue Leitung wurde gelegt, die Wasserpumpe ist repariert und alles ist zur großen Freude der dort wohnenden Lehrer in bester Ordnung.
Leider erkrankte ich dann und musste sofort nach New Delhi zurückreisen, um mich dort behandeln zu lassen. Mit reichlich Wehmut verließ ich die mir inzwischen ans Herz gewachsenen Kollegen der SECPAD School und Zanskar.
Bremen, Oktober 2016
Herbert Brüdt